Lucky (hinten) und Amigo arbeiten derzeit als Team. Wenn der Junghund ausgebildet ist, wird der ältere in Rente gehen. Foto: Eva Herschmann

Karola Leder aus Kernen besucht mit ihrem Therapiehund Lucky Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Krankheiten. Gemeinsam bilden sie den jungen Golden Retriever Amigo aus.

Lucky geht es routiniert an. Ruhig legt er seinen Kopf auf den Schoß von Rosa M. (Name geändert), die im Rollstuhl vor ihm sitzt. Vorsichtig nimmt er das Leckerchen aus ihrer Hand. Die Patientin hat Multiple Sklerose, ihre Bewegungen sind steif und schwerfällig. Doch Lucky, der 13 Jahre alte Golden-Retriever-Rüde, ist erfahren. Seit sechs Jahren arbeitet er als Therapiehund und weiß genau, was er zu tun hat. Amigo, sein junger Kollege in Ausbildung, macht es ihm nach. Allerdings ist er beim Leckerchenholen um einiges stürmischer. Gerade mal acht Monate alt hat der Therapiehund in Ausbildung noch jede Menge Flausen im Kopf. Aber gemeinsam seien sie schon jetzt ein tolles Team, sagt Karola Leder aus Rommelshausen stolz. Sie ist nicht nur das Frauchen der beiden Vierbeiner, sondern auch deren Ausbilderin.

Amigo erkennt Gefahren

Im Alter von sieben Wochen hat Amigo einen Test gemacht, ob er das Zeug zu einem Therapiehund hat. „Da wurde er beispielsweise auf einen Tisch gestellt und durfte nicht herunterspringen. Das bedeutet, er erkennt Gefahren“, sagt Karola Leder. Ein wichtiges Kriterium für einen Therapiehund sei natürlich ein freundliches Wesen Menschen gegenüber. Aber auch, ob es ihm gelingt, sich aus Situationen wieder herauszumanövrieren, erzählt die doppelte Hundemama. „Amigo hat bei allen Aufgaben sehr gut abgeschnitten, als Einziger aus seinem Wurf, und er hat noch sechs Geschwister.“

Lucky weiß ganz genau, was die Stunde geschlagen hat, wenn Karola Leder die orangefarbene Decke holt und ihrem Golden Retriever das Halstuch in derselben Farbe mit seinem Namen umbindet. Amigo besitzt ebenfalls schon ein solches Halstuch, außerdem ein Arbeitsgeschirr mit einem schwarzen Aufkleber, der ihn als Azubi ausweist: „In Training“. Doch auch er weiß, dass es kein normaler Spaziergang wird, wenn Karola Leder zu den speziellen Utensilien greift.

Für die selbstständige Kosmetikerin aus Rommelshausen war nach ihren jahrelangen Erfahrungen mit Lucky klar, dass auch ihr zweiter Hund für die besondere Aufgabe geeignet sein soll. Dass es sogar wieder die gleiche Rasse geworden ist, sei auch kein Zufall, erklärt sie. „Golden Retriever passen zu mir, und ihr Charakter passt gut für die Aufgaben als Therapiehund“, sagt die zierliche Frau mit einem liebevollen Blick auf das putzige Hundeduo. Da Lucky mittlerweile schon das Rentenalter erreicht hat, zieht er sich langsam zurück. Zuvor aber bildet er zusammen mit Karola Leder seinen tierischen Nachfolger aus, damit der seine großen Pfotenstapfen ausfüllen kann. Und Amigo weiß, was von ihm erwartet wird.

Bei Arbeitseinsätzen beobachtet er Lucky und macht es ihm nach. Die Augen von Rosa M. leuchten. Das Hundestreicheln, sagt sie, tue ihrer Motorik gut. Ebenso wie die Übung, die sie gemeinsam mit Lucky macht – und die auch Amigo lernen soll. Die MS-Patientin hält einen großen hölzernen Löffel in ihren Händen, was keine leichte Übung für sie ist. Karola Leder legt dann eines von Luckys Lieblingsleckerchen darauf, das der Vierbeiner behutsam mit seiner Schnauze vom Löffel holt. Bei Amigo fallen die Leckerchen derzeit noch etwas häufiger zu Boden, weil der Junghund oft noch mit zu viel Schwung an die Sache herangeht. Doch Rosa M. lacht, und Amigo ist stets willig, es erneut zu versuchen. „Er bringt alle Voraussetzungen mit, um ein solch guter Therapiehund wie Lucky zu werden“, sagt Karola Leder und streichelt dem kleinen Wirbelwind liebevoll über den Kopf. Bei Rosa M. stärkt die Zusammenarbeit mit den Hunden nicht nur die Motorik, sondern auch die Muskulatur. „Ich sitze danach aufrechter im Rollstuhl und bin dennoch entspannt“, sagt die 54-Jährige, der das Zusammensein mit den Vierbeinern auch guttut, weil sie, wie sie selbst sagt, ganz vernarrt in die beiden Hunde ist.

Die Patientin wird über eine Magensonde ernährt

Anfangs durfte Azubi Amigo noch nicht überall mit. Mittlerweile ist er aber auch dann dabei, wenn Karola Leder eine langjährige Patientin im Heim besucht, die nach einem schweren Autounfall im Rollstuhl sitzt, nicht mehr reden kann und über eine Magensonde ernährt werden muss. Noch schaut Amigo zu, wenn sich Lucky ohne viel Aufhebens an die Patientin in ihrem Spezialrollstuhl schmiegt, was ihr stets ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Doch schon bald wird der Kleine auch diesen Part übernehmen.

Bei Rosa M. darf es ein bisschen stürmischer zugehen. Sie fordert Amigo immer wieder auf, zu ihr zu kommen. Lucky hält sich dann im Hintergrund und beobachtet wohlwollend, so scheint es, die manchmal noch etwas tapsigen Bemühungen seines jungen Kollegen. Amigo lerne viel von Lucky, sagt Karola Leder zufrieden. „Wenn er unsicher ist, nimmt er sich zurück und schaut, was Lucky macht, und der stellt sich dann vor ihn hin und zeigt ihm, was er zu tun hat.“

Karola Leder weiß, wie wertvoll die tierischen Therapeuten sind. Sie bildeten eine Brücke zu Menschen, die nicht mehr sprechen oder sehr in sich gekehrt sind – und weckten allein durch den Kontakt Erinnerungen bei Menschen mit Alzheimer oder Demenz, sagt sie. „Sie beruhigen auch, und bei psychischen Erkrankungen, etwa bei Angststörungen, wirken sie motivierend und vermitteln Selbstbewusstsein.“ Karola Leder ist deshalb froh, mit dem gelehrigen Amigo einen mehr als würdigen Nachfolger für ihren Lucky gefunden zu haben.