Alex Turner (vorne) und die Arctic Monkeys Foto: Domino Records/Michael Zackery

Die britische Band Arctic Monkeys zementiert auf ihrem aktuellen Album „The Car“ die Hinwendung zum progressiven Crooner-Pop.

Der Titel des Debütalbums der englischen Band Arctic Monkeys von 2006, „Whatever People say I am, that’s what I’m not“, war Programm: Vom fulminanten Indie-Riff-Rock über psychedelischen Britpop hat sich das Quartett um den Sänger und Komponisten Alex Turner gewandelt, zuletzt in ein episches Crooner-Pop-Orchester, das mit großer Lust die Möglichkeiten von Orgeln und Synthesizern erforscht. Dominierte das Vorgängeralbum „Tranquility Base Hotel & Casino“ (2018) eine mondäne Las-Vegas-Atmosphäre, tendieren die Arctic Monkeys nun auf „The Car“ stärker in Richtung 70er: Ein schwer zu greifendes Soul-Feeling paart sich hier mit verwunschener Erdenschwere, die Bands wie die Doors oder Genesis einst zaubern konnten. Dabei klingt die Band aus Sheffield nicht annähernd wie eine von beiden klingen – noch wie sonst jemand.

Überall Soul-Feeling

Analoge synthetische Sounds pulsieren in „Sculptures of anything goes“, während Turner jedes Wort modelliert, als hätte er nur diese eine Chance, es von sich zu geben – die Tücken des Rampenlichts scheinen da durch. Der vertrackte Eröffnungssong „There’d better be a Mirrorball“ beginnt orgelig getragen und steigert sich in orchestralen Streicherschmelz, während der Sänger mit leichter Stimme romantische Möglichkeiten abwägt. Dabei erreicht Turner eine eigentümliche Ausdruckstiefe und Intensität: Der ewige Sinnsucher hat so etwas wie seinen eigenen Sheffield-Soul gefunden. Funky Gitarren laufen mit in „I ain’t quite where I think I am“, Wah-Wah-getränkt in der umwerfenden Ballade „Jet Skis on the Moat“, in der Turner Ansprüche ans Leben hinterfragt: „Are you just happy to sit there and watch while the paint job dries?“

Erinnerungen an Ziggy Stardust

„Body Paint“ offenbart dann einen konkreteren Einfluss: Ein gewisser Ziggy Stardust alias David Bowie hätte dieses grandiose Glam-Rock-Epos aufführen können. Eine Soloeinlage von Jamie Cook, die rar sind auf „The Car“, erinnert unzweifelhaft an Bowies stilprägenden Gitarristen Mick Ronson. Die „Ballad of what could have been“ besingt Turner in „Big Ideas“, das Spannungsfeld zwischen großen Visionen und dem Konjunktiv, das in dem Fall ein hochemotionales Ergebnis gezeitigt hat: Ein wolkiger Klanghimmel hängt voller flüchtiger Geigen, Cook gniedelt ein klassisches kleines Gitarrensolo. Unter Spannung eilt „Hello you“ voran, während Turner bedeutungsschwanger trällert, als wäre er Curtis Mayfield, flankiert von einer fulminanten James-Bond-Orchestrierung. Mit Gitarrenpicking geht es ans Lagerfeuer in „Mr. Schwartz“, „Perfect Sense“ markiert den versöhnlichen, gefühligen Ausstieg aus einem Album voller großer Ideen.

Die Arctic Monkeys haben sich tatsächlich vollständig neu erfunden. Die vor Energie berstende Rockband, die dem überraschten Publikum einst Songs wie „I bet you look good on the Dancefloor“ um die Ohren haute, darf man trotzdem ein bisschen vermissen.

Arctic Monkeys : The Car. Domino Records.