Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj führt Gespräche mit der Arabischen Liga. (Archivbild) Foto: dpa/Yves Herman

Bei ihrem jährlichen Gipfel befasst sich die Arabische Liga eigentlich mit Konflikten und der Lage in ihrer eigenen Region. Jetzt taucht in Saudi-Arabien aber ein prominenter Überraschungsgast auf.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Freitag überraschend beim Gipfel der Arabischen Liga in Saudi-Arabien eingetroffen. „Ich werde Kronprinz Mohammed bin Salman treffen und weitere bilaterale Gespräche führen“, teilte Selenskyj im Online-Dienst Telegram mit.

Es ist Selenskyjs erster Besuch in der Region seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen sein Land im Februar vergangenen Jahres. Saudi-Arabien spiele eine „bedeutende“ Rolle, schrieb Selenskyj. „Wir sind bereit, unsere Zusammenarbeit auf eine neue Stufe zu heben.“

Der saudische König Salman hatte Selenskyj Diplomatenkreisen zufolge als Ehrengast zum jährlichen Gipfeltreffen der Liga eingeladen. Die Golfstaaten pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukraine-Krieg um Neutralität.

Arabische Liga hat 22 Mitglieder

„Unsere Prioritäten sind die Rückkehr unserer politischen Gefangenen von der Krim und den zeitweilig besetzten Gebieten, die Rückkehr aller Gefangenen und gesetzwidrig Deportierten“, schieb Selenskyj. Im Fokus stünden außerdem „die Vorstellung unserer Friedensformel, zu deren Umsetzung möglichst viele Staaten hinzugezogen werden müssen“ sowie „die Garantie der Energiesicherheit im nächsten Winter“. Es gehe aber etwa auch um den Schutz der islamischen Gemeinschaft der Ukraine.

Die Arabische Liga wurde 1945 gegründet und zählt 22 Mitglieder. Ziel ist eine noch stärkere Zusammenarbeit etwa in Politik und Wirtschaft sowie die Schlichtung von Konflikten. Beim Gipfel der Organisation dürfte es unter anderem um die Lage im Sudan, im Jemen und in Syrien gehen. Inwieweit die Ukraine Thema wird und ob Selenskyj auch selbst beim Gipfel sprechen sollte, blieb zunächst unklar.

Hoffnung auf Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine

Interessant könnte vor allem eine mögliche Begegnung Selenskyjs mit Syriens Präsident Baschar al-Assad sein, der nach Jahren der Isolation erstmals wieder an einem Liga-Gipfel teilnimmt. Assad ist im syrischen Bürgerkrieg eng mit Russland verbündet, das zur Unterstützung der Regierungstruppen seit 2015 Ziele in Syrien bombardiert. Syrien war im März 2022 auch eines von nur fünf Ländern, die in der UN-Vollversammlung gegen eine Resolution stimmten, in der Russlands Invasion verurteilt und ein Truppenabzug gefordert wird.

Die Teilnahme Selenskyjs biete eine Gelegenheit, um über eine Lösung des Konflikts zu sprechen, hieß es arabischen Diplomaten in Riad zufolge vorab. Dabei könnten auch Wege zur Aufnahme direkter Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew diskutiert werden, hieß es. Saudi-Arabien hat sich mehrfach als Vermittler angeboten. Außenminister Faisal bin Farhan besuchte im Februar und März Kiew und Moskau und traf dort seine Amtskollegen beider Länder.

Der russische Angriffskrieg hat die Golfstaaten in eine unangenehme Lage gebracht. Sie stünden unter Druck, zwischen ihrer historischen Partnerschaft mit den USA und ihren wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bindungen an Russland entscheiden zu müssen, schrieb Experte Gerald Feierstein vom Middle East Institute (MEI) schon kurz nach Ausbruch des Krieges im vergangenen Jahr. „Während Europa brennt, verstecken sich die Golfstaaten unter dem Tisch.“