Laut Medienberichten ist die Zahl antisemitischer Straftaten in den vergangenen vier Jahren stetig gestiegen. (Symbolbild) Foto: IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Beata Zawrzel

Mehr als 2600 antisemitische Straftaten zählt das Bundeskriminalamt im Jahr 2022. 88 davon waren gewalttätig. Das sind 25 mehr als noch ein Jahr zuvor – ein Trend, der sich scheinbar verstetigt.

2022 sind Menschen jüdischen Glaubens öfter Opfer von gewalttätigen Angriffen geworden als im Jahr zuvor. Die Zahl der judenfeindlichen Gewaltdelikte stieg im letzten Jahr von 63 auf 88, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Im Ganzen zählte das Bundeskriminalamt demnach 2639 antisemitische Straftaten für das Jahr 2022. Im Vorjahr 2021 waren es noch 3028 Straftaten, allerdings wurden die üblichen Nachmeldungen für das vierte Quartal 2022 noch nicht berücksichtigt. Zuerst hatte die „Welt“ (Dienstag) über die Zahlen berichtet.

Zahl der Straftaten nachträglich verdoppelt

Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke), deren Büro die Anfrage gestellt hatte, sagte, im Jahresüberblick lasse sich erneut feststellen, welche extremen Diskrepanzen zwischen den zunächst gemeldeten Zahlen und den Nachmeldungen für alle Quartale bestünden. So habe das Innenministerium die Zahl antisemitischer Straftaten im dritten Quartal 2022 nachträglich von 306 auf 653 Fälle korrigiert. Pau forderte eine stärkere Sensibilisierung der Ermittlungsbehörden für Antisemitismus. Wo kein Verständnis für Diskriminierungsformen und Menschenfeindlichkeit liege, könnten diese auch nicht adäquat erfasst werden.

Der zunehmende Antisemitismus stelle eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft dar. Beispielhaft dafür stünden die mehrfachen Angriffe auf Synagogen im vergangenen Jahr, die vielen Friedhofsschändungen und die zahlreichen Holocaustleugnungen im Verschwörungsmilieu, sagte die Bundestags-Vizepräsidentin.

Seit Jahren immer mehr antisemitische Straftaten

Laut dem „Welt“-Bericht ist in den vergangenen vier Jahren die Zahl antisemitischer Straftaten stetig gestiegen. Unter die Gewalttaten fielen etwa gefährliche Körperverletzungen oder räuberische Erpressung, hinzu kämen Brandanschläge und Volksverhetzungsdelikte.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Delikte als „Schande für unser Land“. Antisemitische Straftaten müssten für die Täter „deutlich spürbare Konsequenzen“ haben, sagte Faeser der Zeitung und kündigte eine harte Gangart gegen Straftäter an. Erst kürzlich hatte die Bundesregierung eine „Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben“ verabschiedet.

Zentralrat fordert entschiedenes Handeln

„Antisemitismus wird gewalttätiger“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland der „Welt“. Die Zahlen spiegelten das Erleben von Jüdinnen und Juden in Deutschland. „Es bleibt nicht bei Worten und Sachbeschädigungen, sondern die Gewalt richtet sich immer häufiger direkt gegen Jüdinnen und Juden selbst.“ Der Zentralrat forderte, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen, auch den unterhalb der Schwelle des Strafrechts.

Der bayerische Beauftragte gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle, sagte am Dienstag in München, dass die Zahlen „allen Grund zur Sorge“ geben müssten. „Im Kampf gegen antisemitisches Gedankengut und daraus erwachsende Straftaten in unserer Gesellschaft dürfen wir nicht nachlassen.“ Wissen sei ein zentrales Instrument gegen Judenhass. „Die Wirkung präventiver Arbeit benötigt allerdings Zeit.“