Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Deutschlands Gasversorgung auf eine neue Grundlage stellen und neue Bezugsquellen erschließen. Foto: dpa/Jens Büttner

Der Vizekanzler will den Bau von Terminals für Flüssiggas in deutschen Seehäfen unterstützen. Dem Grünen stehen heftige Debatten mit seiner Partei bevor.

Berlin - Eigentlich ist die Sache klar: Die Grünen wollen so schnell wie möglich aus fossilen Energieträgern aussteigen. Die Nutzung von Erdgas betrachten sie als Brückentechnologie, die nur so lange zum Einsatz kommen soll, bis genügend Ökostrom und klimafreundlicher Wasserstoff zur Verfügung stehen. Von verflüssigtem Erdgas (LNG), das etwa in den USA mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen, heruntergekühlt und mit Schiffen rund um den Globus transportiert wird, halten sie wenig. „Neue Hafenterminals zur Anlandung von Flüssigerdgas sollen nicht mehr genehmigt werden“, hieß es zuletzt im Programm zur Bundestagswahl. Wenn es um LNG (liquefied natural gas) geht, geraten weite Teile der Grünen und der deutschen Umweltbewegung in Rage.

Ein rotes Tuch für viele Grüne

Unter dem Eindruck des Ukraine-Konflikts und den damit verbundenen Risiken für die deutsche Gasversorgung bereitet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck nun allerdings einen spektakulären Schwenk vor: Er ist zu dem Schluss gekommen, dass Deutschland unabhängiger von russischen Erdgaslieferungen werden und dafür seine Bezugsquellen diversifizieren muss. Dazu soll für eine Übergangszeit auch LNG beitragen. Im Bundestag sagte Habeck unlängst, die beiden geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel und Stade seien bisher nicht privat finanzierbar. „Dieser Frage werden wir uns jetzt energisch zuwenden.“ Dies bekräftigte der Vizekanzler anschließend auch bei bei einem Gespräch mit seinen Länderkollegen sowie bei einem Besuch in Mecklenburg-Vorpommern.

Den Grünen steht damit womöglich eine heftige Auseinandersetzung bevor. LNG ist aus Sicht vieler Umwelt- und Klimapolitiker noch schlimmer als herkömmliches Erdgas, das etwa aus Russland per Pipeline nach Deutschland transportiert wird. In der Partei und in den Umweltverbänden formiert sich deshalb bereits Widerstand gegen die Habeck-Pläne. Aber es gibt auch einflussreiche Grünen-Politiker, die angesichts der geopolitischen Großwetterlage zumindest die Diskussion für statthaft halten.

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So sagt etwa der Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftsexperte Dieter Janecek im Gespräch mit unserer Redaktion: „Russland ist leider zu einem unsicheren Akteur geworden.“ Das Land halte gerade trotz hoher Spotmarktpreise für Erdgas sein Angebot knapp, die Gasspeicher hierzulande seien nahezu leer. „Deutschland darf nicht einseitig abhängig bleiben von russischen Gaslieferungen“, meint Janecek. Es sei bedauerlich, dass diese Abhängigkeit in den vergangenen Jahren nicht durch erhöhte Effizienzanstrengungen reduziert worden sei. Ob Deutschland wirklich Flüssiggas-Terminals brauche, darüber müsse „sauber diskutiert werden“. Auf jeden Fall wäre der Bau ein längerfristiges Projekt.

Eine Brücke zur Wasserstoff-Ära

Auch der einflussreiche Europapolitiker Reinhard Bütikofer ist zumindest offen für eine Debatte. „Man kann die Diskussion nicht verteufeln. Aber unser strategisches Ziel kann nicht sein, von östlichem Erdgas langfristig auf westliches oder südliches Erdgas umzusteigen.“ Grundsätzlich bleibt Bütikofer skeptisch: Für eine Übergangszeit könne nicht auf Erdgas verzichtet werden. Es sei jedoch falsch, sich durch weitere Investitionen an diese fossile Ressource zu binden. Bütikofer sagt auch, im Fall, dass Russland bei einer Eskalation der Lage in der Ukraine seine Gaslieferungen Richtung Westen einstellen würde, „müssten wir kurzzeitig auf andere Versorgungsquellen zurückgreifen und könnten dabei sicherlich nicht wählerisch sein“.

Politisch wäre Habecks Vorstoß für die Grünen vermutlich leichter zu akzeptieren, wenn klar wäre, dass der Bau von LNG-Terminals in Deutschland nur unter einer Bedingung infrage kommt: Sie müssen so konstruiert sein, dass dort nicht nur verflüssigtes Erdgas, sondern auch Wasserstoff angelandet werden kann.

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, er kann aus Ökostrom und Wasser hergestellt werden und verbrennt ohne Treibhausgas-Emissionen. Auf mittlere Sicht soll Wasserstoff Erdgas in Haushalt, Industrie und Stromerzeugung ersetzen.

Bisher verfügt Deutschland – anders als Nachbarländer wie Frankreich, die Niederlande oder Polen – über keine eigenen LNG-Terminals. Seit einigen Jahren gibt es Pläne für den Bau von Anlangen in Brunsbüttel und Stade, beide Standorte liegen in der Nähe von Hamburg. Abschließende Entscheidungen stehen noch aus. Ein weiteres Projekt in Wilhelmshaven kam nicht zustande.