Vorsorge ist besser, damit Frauen der Altersarmut entgehen. Foto: Adobe Stock/Ink Drop

Nach wie vor bekommen Frauen monatlich rund 420 Euro weniger Rente als Männer und sind häufig von Altersarmut betroffen. Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, das zu ändern.

Sie sollten sich besser nicht scheiden lassen.“ Dieser eine Satz ihrer Scheidungsanwältin bereitet Susann Brendle, 46, aus dem Raum Stuttgart noch heute manchmal schlaflose Nächte. Zwar hat sie die Trennung vor sieben Jahren trotzdem eingereicht. „Rein finanziell betrachtet war das aber sicher nicht die beste Entscheidung. Aufs Alter freue ich mich nicht“, sagt die Sozialpädagogin, deren Namen auf Wunsch geändert wurde.

Eine Rente unter 400 Euro – das droht über 75 Prozent der Frauen, die heute zwischen 30 und 55 Jahre alt sind. „Elternzeit, lange berufliche Pausen oder Teilzeit, schlechter bezahlte Jobs, die Gründe sind bekannt“, sagt Karola Noack, die Finanzcoaching speziell für Frauen anbietet. Bekannt ist auch, dass der Ehemann keine stabile Altersvorsorge ist. Rund 30 Prozent aller Ehen werden wieder geschieden, in Großstädten betrifft es gar jedes zweite verheiratete Paar.

Jung und verliebt macht blauäugig

Eines davon waren die Brendles. Nach dem Studium hat Susann Brendle ziemlich schnell zwei Kinder bekommen. Und ist komplett aus dem Job ausgestiegen. „Ich wollte Zeit für die Familie haben, und finanziell ging es uns auch mit einem Einkommen gut.“ Scheidung? Altersvorsorge? „Klar war es aus heutiger Sicht blauäugig, darüber nicht nachzudenken, aber wir waren eben glücklich. Und mit Haus und Kindern auch irgendwie immer mit etwas anderem beschäftigt.“

Das war einmal. Heute wohnt Susann Brendle in einer kleinen Wohnung, nimmt wegen der günstigen Miete lange Fahrtwege zur Arbeit auf sich, verzichtet auf Urlaub und Restaurantbesuche. Seit die Kinder größer sind, hat sie in den Schulferien einen Zweitjob in der Ferienbetreuung angenommen. Das Extrageld fließt komplett in einen Sparplan fürs Alter. „Viel später hätte ich damit wirklich nicht mehr anfangen dürfen. Jetzt kann ich mir zumindest noch ein kleines Poster aufbauen“, sagt sie.

Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, eine solche Situation zu vermeiden. „Sobald man anfängt zu arbeiten, spart man fürs Alter an. Und damit hört man dann auch nicht mehr auf“, sagt Finanzcoach Karola Noack.

Für die Phasen von Elternzeit oder Teilzeit bedeutet das: Der Partner, der mehr Familienarbeit übernimmt und deswegen weniger Erwerbsarbeit leisten kann, bekommt vom anderen Partner die Beiträge für die Altersvorsorge gezahlt. „Und zwar in der Höhe der früheren Vollzeitstelle“, sagt Finanzberaterin Constanze Hintze, die sich seit vielen Jahren um die finanziellen Belange von Frauen kümmert.

Es müssen sinnvolle Modelle her

Sobald Paare zusammenziehen, empfiehlt sie das Drei-Konten-Modell. Von einem gemeinsamen Konto gehen alle gemeinsamen Lebenshaltungskosten ab – inklusive der Beiträge für die Altersvorsorge. Beide Partner zahlen auf das Gemeinschaftskonto Geld ein – und zwar einkommensabhängig prozentual berechnet.

Noch gerechter wird die Verteilung so: Beide Einkommen fließen direkt auf ein Gemeinschaftskonto. Das Geld, das am Ende eines Monats davon übrig ist, wird hälftig geteilt und jedem Partner zur freien Verfügung aufs private Konto überwiesen.

In der Realität sind noch viele Familien von solchen Modellen weit entfernt. „Es gibt immer noch Frauen, die nicht einmal einen Kontozugang haben. Die würden nie finanzielle Forderungen an ihren Mann stellen“, sagt Karola Noack. Aus den Gesprächen mit den Frauen hört sie oft heraus, dass das auch an der Erziehung liegt. „Diese Frauen haben als Kinder schon zu Hause erlebt, dass sich eben der Vater um die Finanzen kümmert.“

Was ist mit den Rentenansprüchen?

Auch Susann Brendle hat sich früher nie für die Geldangelegenheiten der Familie interessiert. Deshalb war sie auch ziemlich schockiert, als die Scheidungsanwältin ihr vorgerechnet hat, wie es um ihre Rentenansprüche steht. So muss ihr Ex-Mann ihr für die Zeit, die sie verheiratet waren, zwar anteilig etwas von seiner Rente abgeben. Dieses Geld aber reicht längst nicht aus, um sorgenfrei aufs Alter blicken zu können.

Hätte Susann Brendle nach der Geburt der Kinder in ihrem Job Vollzeit ohne Pause weitergearbeitet, hätte sie bis zur Scheidung Rentenansprüche von etwa 2000 Euro ansammeln können. Nun aber waren es lediglich 400 Euro. Ihr Mann hatte Ansprüche von 2900 Euro. Die Differenz ihrer beiden Renten (2500 Euro) wird geteilt, ihr Mann muss ihr monatlich 1250 Euro ausgleichen. Damit stehen ihr monatlich 350 Euro weniger zur Verfügung, als wenn sie selbst auch weiter gearbeitet hätte.

Auch Männer sind betroffen

Was vielen Männern nicht klar ist: Auch ihnen kann im Falle einer Scheidung durch diesen Ausgleich eine Rentenlücke entstehen. „Es wäre also auch im Interesse der Männer, von Beginn einer Beziehung dafür zu sorgen, dass beide Partner ausreichend fürs Alter vorsorgen“, sagt Karola Noack.

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Sowohl Karola Noack als auch Constanze Hintze beobachten, dass vermehrt junge Frauen unter 35 Jahren in ihre Beratungen kommen. Frauen, die wissen, dass private Vorsorge wichtig ist, weil die staatliche Rente für sie ohnehin nicht ausreichen wird.

Nicht die Fehler wiederholen

Frauen, die selbst in Scheidungsfamilien aufgewachsen sind. „Sie werden nicht selten von ihren Müttern geschickt, die erleben, was es heißt, mit wenig Rente auskommen zu müssen“, sagt Constanze Hintze. Für ihre Töchter wünschen sie sich später einen besseren Ruhestand.

Und was ist mit Frauen wie Susann Brendle, die den Zeitpunkt für eine frühe finanzielle Beratung verpasst haben? Auch für diese hat Constanze Hintze eine gute Nachricht. „Zwischen 40 und 50 Jahren ist noch mal ein guter Zeitpunkt für einen Kassensturz.“ Spätestens dann sollten Frauen sich aber ihre Rentenansprüche vor Augen führen – und dann all ihre Ausgaben auf den Prüfstand stellen, ihr Konsumverhalten überdenken.

„Dann muss ich einfach Gas geben und das gesparte Geld mit der richtigen Anlagestrategie noch 15 Jahre für mich arbeiten lassen“, sagt Karola Noack.

Und sie weiß, wovon sie spricht: Denn auch sie selbst hat das Thema Finanzen und Vermögensverwaltung bis zu ihrer Scheidung weit von sich geschoben. Inzwischen hat sich Karola Noack nicht nur genug Wissen angeeignet, um das alles selbst machen zu können. Noch besser: Es macht ihr sogar Spaß. „Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet einfach auch eine große Freiheit“, sagt Karola Noack.

Wie viel Geld braucht man im Alter?

Faustformel
Will man seinen Lebensstandard im Ruhestand halten, braucht man 60 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Die finanziellen Belastungen sinken im Ruhestand meist deswegen, weil die Kinder aus dem Haus sind, Fahrtwege zur Arbeit entfallen und keine Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung mehr gezahlt werden müssen.

Rente
Dem Statistischen Bundesamt zufolge, erhalten mehr als ein Viertel der Ruheständler in Deutschland weniger als 1000 Euro Rente monatlich. Frauen sind mit 38,2 Prozent deutlich häufiger betroffen als Männer (14,7 Prozent).