Das Areal des alten Feuerwehrhauses soll dem Bau eines Pflegeheims dienen – das löst Widerspruch aus. Foto: Werner Kuhnle (Archiv)

In Beilstein ist der geplante Neubau eines Altenheims auf dem alten Feuerwehr-Gelände in die Kritik geraten. Muss der Gemeinderat umschwenken?

Ein anonymes Schreiben löst in Beilstein einige Unruhe aus. Von einem möglichen Millionen-Verlust ist darin die Rede. Die Verfasser beziehen sich auf den geplanten Neubau eines Altenheimes auf dem Gelände der alten Feuerwache. Die Bürger warnen die Stadt dringend davor, den bereits gefassten Verkaufsbeschluss umzusetzen. Ein Altenpflegeheim könne trotzdem entstehen – nur müsse es an anderer Stelle gebaut werden: auf dem Areal Raumaier, das die Stadt zwischenzeitlich aufgrund der Insolvenz der Spätregenmission erwarb.

Worin bestand der bisherige Plan?

Eigentlich herrschte in der malerisch gelegenen 6300-Einwohner-Kommune an der Grenze zum Landkreis Ludwigsburg noch im Jahr 2020 eitel Sonnenschein. Als der damalige Bürgermeister Patrick Holl aus dem Amt schied, schien er dem Nachfolger oder der Nachfolgerin in puncto Pflegeplätze ein gut bestelltes Feld zu hinterlassen. Vonseiten des Hauses Ahorn hieß es, es sei in die Jahre gekommen. Als Ersatz, auch für den künftigen Bedarf, sollte das Gelände des alten Feuerwehrhauses dienen. Ein Investor wurde gefunden: Er bekam das Grundstück zum Preis von 815 000 Euro zugesprochen.

Was kritisieren die Bürger in ihrem Brief?

Beim Verkauf setzt die Kritik der anonymen Bürger an. Sie sprechen von einem „unanständigen Verkaufspreis-Versprechen“, das von den Räten einfach durchgewinkt worden sei. In Wahrheit habe das Areal einen Wert von zwei Millionen Euro. Ein weiterer Nachteil des Deals: Die Beilsteiner Steuerzahler müssten zusätzlich zwei bis drei Millionen Euro für den Bau eines neuen Busbahnhofs ausgeben. Denn auf dem Gelände des Feuerwehrhauses stellt die Bahn Busse ab und hat wegen dieser Grunddienstbarkeit einen Anspruch auf Ersatz. „Ohne Not“ würde die Stadt fünf Millionen Euro in den Sand setzen, kritisieren die Bürger. Stattdessen könnte Beilstein aus einem Grundstücksverkauf auf dem Raumaier-Gelände rund 1,5  Millionen Euro einnehmen.

Wie ist die Stimmung im Gemeinderat?

Besorgt äußern sich die Bürger auch wegen des Gemeinderats. Bürgermeisterin Barbara Schoenfeld müsse den Missstand aufarbeiten. Bisher hätten aber nur weibliche Räte den Finger in die Wunde gelegt. Eine Mehrheit von Männern, so heißt es im Brief, wolle den Plan durchziehen: „Es scheint, manche wollen einfach nur abhaken – sind amtsmüde – , wollen es hinter sich bringen, manche spekulieren auf Aufträge, manche wollen ihre eigenen Fehler verdecken, manche wollen Frau Schoenfeld beschädigen oder zumindest die Schuld geben, für Fehler, die in der Ära von Herrn Holl gemacht wurden.“

Ist die Stadt Haus Ahorn blind gefolgt?

Einen Grund, die Notbremse zu ziehen, böte die Grundlast der Bahn AG. Sie beharrt nämlich auf der Grundlast von 2000 Quadratmeter auf dem gesamten Gelände. Die Stadt hingegen will nur rund 350 Quadratmeter ersetzen – so viel, wie neun eingezeichnete kleine Busse im Vertragsdokument mit ihrer Abstellfläche einnehmen. Ein Konflikt, der offenbar kaum zu lösen ist. Und der auch nicht gelöst werden sollte, finden die Briefschreiber. „Der Betreiber des Hauses Ahorn ist ein Wirtschaftsunternehmen, und die Stadt ist überhaupt nicht verpflichtet, ihm Ersatz zu liefern.“ Die Kritiker vermuten, dass die Betreiber von Haus Ahorn kleine Eigentümer loswerden und mit einem neuen Altenheim mehr Profit erzielen wollen. „Betreiber und Investor machen mithilfe einiger Gemeinderäte emotional Stimmung und Zeitdruck.“ Dabei sei die Ansicht, die Stadt Beilstein stünde durch eine „Schließung von Haus Ahorn“ vor einer „sozialen Katastrophe“, nie richtig überprüft worden.

Was sagen die Betreiber von Haus Ahorn?

Der anonyme Brief diskreditiere die Arbeit des Gemeinderats, teilen Andrea Stoll und Gudrun Waidmann für die Geschäftsführung von Haus Ahorn und dem Träger Wohn Intern GmbH mit. Es sei schon lange bekannt, dass das Heim nicht wirtschaftlich umgebaut werden könne. Mehrere Grundstücke seien untersucht und als ungeeignet bewertet worden. Es habe auch einen Investorenwettbewerb gegeben. Das Areal des Feuerwehrhauses, ein aufgeschütteter Bahndamm, sei hochgradig kontaminiert, was die Stadt gutachterlich festgestellt habe und was den niedrigen Verkaufspreis erkläre. Für Haus Ahorn bestehe Zeitdruck, die Schließung drohe. Der Vorschlag Raumaier sei absurd, es gebe schon fertige Baupläne. Auch der Investor hält die Alternative für ungeeignet. „Es liegt weit außerhalb der Ortsmitte und würde für Bewohner eines Pflegeheimes keinerlei Teilhabe ermöglichen“, sagt Robert Stein von der Wohnbaustein GmbH in Erdmannhausen. Das Wohn- und Teilhabegesetzes fordere einen zentralen Standort.

Wie positioniert sich die Bürgermeisterin?

Barbara Schoenfeld prüft derzeit die Sachlage. „Alle genannten Daten im Brief stimmen, sie sind auch aus öffentlichen Sitzungen frei zugänglich“, sagt die Bürgermeisterin, die seit Juni 2021 amtiert. Tatsächlich läge der Verkaufspreis des Areals am alten Feuerwehrhaus um 50  Prozent unter dem Verkehrswert. „Die Differenz zum Preis, also den 815  000 Euro, müsste sich die Stadt vom Landratsamt genehmigen lassen.“ Zudem habe der Investor vor einigen Wochen angekündigt, das Grundstück an eine Stiftung weiterverkaufen zu wollen. Das sei eine neue Information und habe sie und viele Stadträte überrascht. Man habe angenommen, der Investor schließe mit der Wohn Intern direkt Verträge. Auch gestalteten sich die Verhandlungen mit der Bahn AG über die Grunddienstbarkeit schwierig. „Für den gesamten Prozess wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen, zunächst das zu klären.“ Sie werde mit dem Gemeinderat in einer Klausur im Januar das Thema besprechen. Sollten die Eigentümer des Hauses Ahorn den Pflegebetrieb nicht weiterführen wollen, könnte man auf dem Areal Raumaier oder anderen städtischen Grundstücken relativ schnell bauen. Das müsse aber der Gemeinderat entscheiden.

Welche Frist hat das Landratsamt gesetzt?

Haus Ahorn
  Teile des Bestandsbaus entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Landesheimbauverordnung, teilt das Landratsamt Heilbronn mit. Um den Weiterbetrieb der Einrichtung nicht zu gefährden, habe man den Träger befristet bis zum 30. Juni 2025 von Teilen der Anforderungen befreit. Ob ein Neubau oder ein Umbau erfolge, müsse der Träger der Einrichtung entscheiden.

Bedarf
 Der Kreispflegeplan weist für Beilstein für 2025 einen Bedarf von 78 Pflegeplätzen aus, der durch das Haus Ahorn gedeckt werden kann, teilt das Landratsamt mit. Im Raum Beilstein/Ilsfeld/Abstatt/Untergruppenbach nehme das größte Altenheim eine zentrale Rolle bei der Versorgung mit Pflegeplätzen ein. Im Heim seien derzeit 25 der knapp 90 Bewohner aus Beilstein oder hätten einen familiären Bezug zur Stadt, teilt die Stadtverwaltung mit.