Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) muss deutlich bei der Umsetzung der 50+1-Regel nachbessern. Das hat das Bundeskartellamt entschieden.
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) muss bei ihrer 50+1-Regel deutlich nachbessern. Das hat das Bundeskartellamt in seiner am Montag veröffentlichten „vorläufigen kartellrechtlichen Bewertung“ festgestellt. Demnach gibt es „keine grundlegenden Bedenken“ gegen die sogenannte Investorensperre, allerdings hat die Aufsichtsbehörde der Liga drei Aufgaben ins Stammbuch geschrieben, die reichlich Zündstoff bergen.
Mit Blick auf die Ausnahmen Bayer Leverkusen (Mehrheit Bayer AG) und VfL Wolfsburg (Mehrheit VW), die Mitgliederproblematik bei RB Leipzig sowie der Auseinandersetzung um clubinterne Weisungen (Hannover 96/Martin Kind) sollte die DFL neue Regelungen schaffen. Immerhin räumte das Amt ein, dass aufgrund der „wirtschaftlichen und sportlichen Bedeutung“ ein „längerer Übergangszeitraum“ für die Umsetzung gerechtfertigt sei.
50+1: So reagieren die VfB-Ultras auf die Entscheidung
Das Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) plant, sich zeitnah mit der Thematik auseinanderzusetzen, um einen Kompromissvorschlag vorzulegen. Das dürfte herausfordernd werden. In der Vergangenheit zeigten sich die unterschiedlichen Lager häufig unversöhnlich.„Die 50+1-Regel ist elementarer Bestandteil des deutschen Fußballs. Das DFL-Präsidium wird sich weiter für den Schutz und den Fortbestand der Regel einsetzen“, ließ sich der DFL-Präsidiumssprecher zitieren: „Klar ist: Der gesamte Ligaverband DFL e.V. wird Lösungen finden müssen, um die Regelung gemeinschaftlich abzusichern und zu stärken.“
Das Gros der deutschen Fußballfans – allen voran die Ultragruppierungen – hat zu dem Thema seit Langem eine klare Meinung: 50+1 ist aus ihrer Sicht schon lange ausgehöhlt. Dementsprechend positionierten sich auch die Stuttgarter Ultras am Montag. Die großen Gruppierungen wie Commando Cannstatt, Schwaben Kompanie und Schwabensturm schrieben in einer Mitteilung, die sie auf ihren Internetseiten veröffentlichten, von einem „Versagen“ der DFL.
Ultras: 50+1 hat „Fehlentwicklungen“ teils verhindert
„Das Ergebnis fordert nun die konsequente Umsetzung von 50+1, alles andere ist für uns nicht verhandelbar“, heißt es. Die Regelung sei „eine wesentliche Besonderheit des deutschen Fußballs, die es unbedingt und mit allen Mitteln zu schützen gilt“. Fehlentwicklungen in anderen europäischen Ligen, seien auch dank 50+1 „ bisher in Teilen am deutschen Fußball vorbeigegangen“. Die Ultras werfen den Verantwortlichen bei der DFL „Dilettanz“ im Hinblick auf die Werkclubs sowie Leipzig und Hannover vor. Für die organisierte Fanszene gibt es nur zwei Optionen: Entweder die Clubs ändern ihre Strukturen, oder müssen aus dem organisierten Fußball ausscheiden.
Applaus kam auch von der Organisation „Unsere Kurve“, die die Bewertung des Bundeskartellamts ebenfalls begrüßte: Die Veröffentlichung untermauere die „Mitbestimmungsrechte der Mitglieder und Fans“, der Spruch „Fußball gehört den Fans“ sei kein leerer Slogan, sondern „Grundprinzip des deutschen Fußballs“. Nun sei die DFL am Zug.
50+1: Was wird aus Leverkusen, Wolfsburg und Leipzig?
Am Handlungsbedarf gibt es nun wenigstens keine Zweifel mehr: Leverkusen (Mehrheit Bayer AG) und Wolfsburg (Mehrheit VW) brauchen ein anderes Konstrukt, um die Ungleichheit in Relation zu den anderen Clubs zu beenden. Leipzig muss garantieren, dass stimmberechtigte Mitglieder problemlos in den Verein eintreten dürfen. Und die DFL ist aufgefordert, dass Weisungen der Clubs an ihre Vertreter bei Abstimmungen umgesetzt werden.
„Die DFL muss unseres Erachtens für einheitliche Wettbewerbsbedingungen sorgen und die 50+1-Regel deshalb diskriminierungsfrei und konsequent anwenden. Maßgeblich wird erstens sein, dass die DFL bei allen Vereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga gleichermaßen für offenen Zugang zur Mitgliedschaft und damit für die Mitbestimmung der Fans sorgt“, sagte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt: „Zweitens sollte die DFL sicherstellen, dass die Wertungen der 50+1-Regel auch bei ihren eigenen Abstimmungen beachtet werden. Drittens muss die DFL bei der vorgeschlagenen Änderung der Bestandsschutzregeln für die vormaligen Förderclubs nachbessern, denn die europäische Rechtsprechung legt hier jetzt einen strengen Standard an.“
Was besagt die 50+1-Regel – und warum gibt es das Verfahren überhaupt?
Die DFL, Vereine und Investoren können als nächstes Stellung nehmen, anschließend wird das Kartellamt seine Empfehlungen finalisieren, die Nachbesserungen könnten „auf verschiedene Art und Weise“ erfolgen. Im Kern besagt die 50+1-Regel, dass der Mutterverein immer die Mehrheit bei einer ausgegliederten Profiabteilung halten muss. Das ganze Verfahren geht zurück auf eine Initiative des DFL-Präsidiums vom Juli 2018. Das Gremium hatte damals das Kartellamt angerufen, um kartellrechtliche Bedenken prüfen zu lassen. Im März 2023 hat die DFL zudem Zusagen gemacht, um 50+1 weiter zu stärken und eine abschließende Bewertung zu ermöglichen.
Das Kartellamt hatte unter dem Eindruck der neuen europäischen Rechtsprechung geprüft. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Dezember 2023 ein Urteil zur Super League und zum Kartellrecht im Fußball gefällt. Damals hat der EuGH erstmals festgelegt, dass eine Ausnahme vom Kartellrecht nur für „sportverbandliche Regelungen“ in Frage kommt, die „nicht aus sich heraus besonders wettbewerbsschädlich sind“.
Mit Material von SID.